Gute
Herstellungspraxis (GMP, Good Manufacturing Practice) ist ein zentraler
Bestandteil der Qualitäts- und Produktsicherung in regulierten Industrien wie
der Pharma-, Lebensmittel- und Kosmetikbranche. Dennoch kursieren zahlreiche
Missverständnisse, die nicht nur zu Verwirrung führen, sondern auch die
Einhaltung von Vorschriften gefährden können. In diesem Artikel räumen wir mit
den häufigsten Mythen auf und beleuchten die Fakten.
Mythos 1: GMP betrifft nur die Pharmaindustrie
Obwohl die GMP-Vorschriften ursprünglich für die
pharmazeutische Industrie entwickelt wurden, sind sie heute in vielen anderen
Branchen von entscheidender Bedeutung. In der Lebensmittel-, Kosmetik-,
Biotechnologie- und Medizintechnikbranche gelten ähnliche Prinzipien, um
Produktqualität und -sicherheit zu gewährleisten.
Ein Beispiel: In
der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, wo Produkte direkt mit dem Körper in
Kontakt kommen, spielt GMP eine zentrale Rolle. Stellen Sie sich vor,
Babynahrung würde unter unsauberen Bedingungen hergestellt oder eine
Gesichtscreme wäre mit Keimen belastet – schon kleinste Abweichungen könnten
gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Deshalb sind strenge Hygiene- und
Qualitätsstandards essenziell.
Auch wenn die regulatorischen Anforderungen je nach Branche
unterschiedlich sind, bleibt das übergeordnete Ziel dasselbe: die Sicherheit
und Qualität von Produkten zu gewährleisten und Verbraucher:innen zu schützen.
Mythos 2: GMP-Compliance ist teuer und aufwendig
Es stimmt, dass die Einführung von GMP-Prozessen
Investitionen in Ausrüstung, Schulung und Dokumentation erfordert, die zunächst
mit höheren Kosten verbunden sind. Aber seien wir ehrlich: Jede
Prozessoptimierung erfordert Investitionen. Entscheidend ist, dass ein gut
durchdachter und effizient umgesetzter GMP-Prozess nicht nur die Qualität und
Sicherheit verbessert, sondern langfristig auch wirtschaftliche Vorteile
bringt.
Ein Beispiel:
Ein Kosmetikunternehmen investiert in strengere Hygienestandards und
Qualitätskontrollen. Langfristig kann es dadurch Millionen einsparen, indem es
Rückrufe vermeidet und seinen guten Ruf schützt. Produktrückrufe,
Schadensersatzforderungen und Vertrauensverluste sind oft um ein Vielfaches
teurer als die präventive Einhaltung von GMP.
Zusätzlich können Mängel im Herstellungsprozess ohne GMP zu
hohen Zusatzkosten durch Ausschuss, Nachbesserungen oder regulatorische Strafen
führen. GMP hilft also nicht nur, Risiken zu minimieren, sondern ist
langfristig auch eine wirtschaftliche Entscheidung.
Mythos 3: Sobald ein Zertifikat vorliegt, ist man „GMP-konform“
GMP ist kein einmaliges Zertifikat oder eine einmalige
Überprüfung, sondern ein kontinuierlicher Prozess der Verbesserung und
Anpassung – ähnlich dem Kaizen-Prinzip. Die Anforderungen an die gute
Herstellungspraxis entwickeln sich stetig weiter, getrieben durch
technologische Fortschritte und neue wissenschaftliche Erkenntnisse.
Unternehmen müssen regelmässig interne Audits durchführen und sicherstellen,
dass ihre Prozesse stets den neuesten Standards entsprechen. Deshalb verlangen
auch die Behörden regelmässige Inspektionen und Re-Zertifizierungen.
GMP-Standards müssen nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch in der
täglichen Praxis umgesetzt und kontinuierlich überwacht werden.
Ein Beispiel:
Ein Lebensmittelhersteller erhält eine GMP-Zertifizierung und stellt danach
sämtliche internen Kontrollen ein. Ohne regelmässige Überprüfungen könnten
Hygienemängel, fehlerhafte Prozesse oder Qualitätsprobleme unbemerkt bleiben –
mit gravierenden Folgen für die Produktsicherheit. Das Gleiche gilt für andere
Industrien: Ohne fortlaufende Überprüfung ist eine einmalige Zertifizierung
wertlos.
Mythos 4: Dokumentation ist unwichtig und reine Formsache
Dokumentation ist einer der zentralen Pfeiler von GMP – weit
mehr als nur bürokratische Pflicht. Sie ermöglicht die Rückverfolgbarkeit von
Produktionsprozessen, hilft bei der Fehleranalyse und trägt wesentlich zur
Qualitätssicherung bei. Zudem ist eine lückenlose Dokumentation essenziell für
Inspektionen und Audits. Unternehmen müssen jederzeit nachweisen können, dass
ihre Produktionsprozesse den GMP-Anforderungen entsprechen.
Ein Beispiel:
Ein Arzneimittelhersteller produziert eine Charge Antibiotika, die
Qualitätsmängel aufweist. Ohne detaillierte Dokumentation wäre es nahezu
unmöglich, den Fehlerursprung nachzuvollziehen – sei es ein Problem mit den
Rohstoffen, ein Maschinenfehler oder eine Abweichung im Herstellungsprozess.
Mythos 5: Schulungen sind überflüssig, wenn die Maschinen richtig funktionieren
Moderne Maschinen und automatisierte Systeme sind für viele
GMP-Prozesse unverzichtbar. Doch ohne qualifizierte Mitarbeitende, die sie
korrekt bedienen und überwachen, bleibt das Risiko von Fehlern bestehen. GMP
schreibt daher vor, dass alle Beteiligten eine fundierte Schulung erhalten –
unabhängig von der Branche oder dem Produkt.
Ein Beispiel: In
einem Unternehmen, das Babynahrung herstellt, wird ein:e neue:r Mitarbeitende:r
nicht ausreichend eingearbeitet. Bei der Arbeit wird versehentlich ein steriles
Produkt mit blossen Händen berührt – eine kleine Nachlässigkeit mit potenziell
gravierenden Folgen. Das zeigt, warum kontinuierliche Schulungen entscheidend
sind.
Mythos 6: GMP ist ausschliesslich Aufgabe der Qualitätsabteilung
Die Qualitätsabteilung spielt eine zentrale Rolle bei der
Implementierung und Überwachung von GMP-Richtlinien, doch die Verantwortung für
deren Einhaltung liegt bei allen Mitarbeitenden – von der Produktion über die
Wartung bis hin zur Unternehmensführung. Jede Person im Betrieb trägt dazu bei,
dass die GMP-Standards konsequent umgesetzt werden.
Ein Beispiel: Ein:e
Techniker:in repariert eine Produktionsmaschine und ignoriert dabei die
Hygienevorschriften. Schmiermittelrückstände gelangen unbemerkt in das
Endprodukt. Dieser Vorfall zeigt, dass GMP nicht nur eine Aufgabe der Qualitätssicherung
ist, sondern in jeden einzelnen Arbeitsprozess integriert werden muss.
Mythos 7: GMP gilt nur für die Produktion
GMP betrifft nicht nur die Produktion, sondern den gesamten
Lebenszyklus eines Produkts – von der Entwicklung über die Herstellung bis hin
zur Lagerung und Auslieferung. Klare Richtlinien regeln den Umgang mit
Rohstoffen, Verpackungsmaterialien, Lagerbedingungen und Transport, um
sicherzustellen, dass die Qualität des Produkts in jeder Phase erhalten bleibt.
Ein Beispiel: Ein
temperaturempfindliches Medikament wird während des Transports unsachgemäss
gelagert, sodass die Kühlkette unterbrochen wird. Dadurch verliert es seine
Wirksamkeit – obwohl es zuvor unter strengen GMP-Bedingungen hergestellt wurde.
GMP endet also nicht mit der Produktion, sondern umfasst den gesamten Produktlebenszyklus.
Mythos 8: Kleine Unternehmen müssen sich nicht an GMP halten
Unabhängig von der Grösse des Unternehmens gelten die
GMP-Vorschriften für alle, die in regulierten Branchen tätig sind. Auch kleine
Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Produkte sicher und von hoher
Qualität sind. Die Implementierung von GMP kann für kleinere Betriebe zwar
herausfordernd sein, doch es gibt angepasste Lösungen und Ressourcen, um auch
mit begrenzten Mitteln eine GMP-konforme Produktion zu gewährleisten.
Ein Beispiel: Ein handwerklicher
Kosmetikbetrieb, der Naturseifen produziert, arbeitet möglicherweise nicht mit
hochautomatisierten Produktionsanlagen. Dennoch gelten auch hier grundlegende
GMP-Prinzipien: Inhaltsstoffe müssen rückverfolgbar sein, die Herstellung unter
hygienischen Bedingungen erfolgen und die Verpackung darf keine
Verunreinigungen zulassen. Besonders in regulierten Märkten, wie der
EU-Kosmetikverordnung, ist dies entscheidend für den Marktzugang und das
Vertrauen der Verbraucher:innen.
Fazit:
GMP ist weit mehr als ein regulatorisches Muss – es ist ein
zentraler Bestandteil für die Qualitätssicherung und den langfristigen
Unternehmenserfolg. Die häufigsten Missverständnisse entstehen oft aus
Unwissenheit oder der Annahme, dass GMP nur für grosse Konzerne oder bestimmte
Branchen gilt. In Wahrheit ist es ein dynamisches System, das sich ständig
weiterentwickelt und in jedem Bereich eine Rolle spielt.
Eine konsequente Einhaltung von GMP hilft nicht nur dabei,
gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, sondern auch, Produktionsfehler zu
minimieren, Kosten zu senken und das Vertrauen der Kundschaft zu stärken.
Unternehmen, die GMP nicht als Pflicht, sondern als Qualitätsversprechen
verstehen, profitieren langfristig von besseren Prozessen und nachhaltigem
Markterfolg.
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