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GMP-Compliance: Aufgedeckte Mythen und die Wahrheit dahinter

GMP-Compliance: Aufgedeckte Mythen und die Wahrheit dahinter

20.03.2025

Gute Herstellungspraxis (GMP, Good Manufacturing Practice) ist ein zentraler Bestandteil der Qualitäts- und Produktsicherung in regulierten Industrien wie der Pharma-, Lebensmittel- und Kosmetikbranche. Dennoch kursieren zahlreiche Missverständnisse, die nicht nur zu Verwirrung führen, sondern auch die Einhaltung von Vorschriften gefährden können. In diesem Artikel räumen wir mit den häufigsten Mythen auf und beleuchten die Fakten.

Mythos 1: GMP betrifft nur die Pharmaindustrie

Obwohl die GMP-Vorschriften ursprünglich für die pharmazeutische Industrie entwickelt wurden, sind sie heute in vielen anderen Branchen von entscheidender Bedeutung. In der Lebensmittel-, Kosmetik-, Biotechnologie- und Medizintechnikbranche gelten ähnliche Prinzipien, um Produktqualität und -sicherheit zu gewährleisten.

Ein Beispiel: In der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie, wo Produkte direkt mit dem Körper in Kontakt kommen, spielt GMP eine zentrale Rolle. Stellen Sie sich vor, Babynahrung würde unter unsauberen Bedingungen hergestellt oder eine Gesichtscreme wäre mit Keimen belastet – schon kleinste Abweichungen könnten gesundheitliche Risiken mit sich bringen. Deshalb sind strenge Hygiene- und Qualitätsstandards essenziell.

Auch wenn die regulatorischen Anforderungen je nach Branche unterschiedlich sind, bleibt das übergeordnete Ziel dasselbe: die Sicherheit und Qualität von Produkten zu gewährleisten und Verbraucher:innen zu schützen.

Mythos 2: GMP-Compliance ist teuer und aufwendig

Es stimmt, dass die Einführung von GMP-Prozessen Investitionen in Ausrüstung, Schulung und Dokumentation erfordert, die zunächst mit höheren Kosten verbunden sind. Aber seien wir ehrlich: Jede Prozessoptimierung erfordert Investitionen. Entscheidend ist, dass ein gut durchdachter und effizient umgesetzter GMP-Prozess nicht nur die Qualität und Sicherheit verbessert, sondern langfristig auch wirtschaftliche Vorteile bringt.

Ein Beispiel: Ein Kosmetikunternehmen investiert in strengere Hygienestandards und Qualitätskontrollen. Langfristig kann es dadurch Millionen einsparen, indem es Rückrufe vermeidet und seinen guten Ruf schützt. Produktrückrufe, Schadensersatzforderungen und Vertrauensverluste sind oft um ein Vielfaches teurer als die präventive Einhaltung von GMP.

Zusätzlich können Mängel im Herstellungsprozess ohne GMP zu hohen Zusatzkosten durch Ausschuss, Nachbesserungen oder regulatorische Strafen führen. GMP hilft also nicht nur, Risiken zu minimieren, sondern ist langfristig auch eine wirtschaftliche Entscheidung.

Mythos 3: Sobald ein Zertifikat vorliegt, ist man „GMP-konform“

GMP ist kein einmaliges Zertifikat oder eine einmalige Überprüfung, sondern ein kontinuierlicher Prozess der Verbesserung und Anpassung – ähnlich dem Kaizen-Prinzip. Die Anforderungen an die gute Herstellungspraxis entwickeln sich stetig weiter, getrieben durch technologische Fortschritte und neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Unternehmen müssen regelmässig interne Audits durchführen und sicherstellen, dass ihre Prozesse stets den neuesten Standards entsprechen. Deshalb verlangen auch die Behörden regelmässige Inspektionen und Re-Zertifizierungen. GMP-Standards müssen nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern auch in der täglichen Praxis umgesetzt und kontinuierlich überwacht werden.

Ein Beispiel: Ein Lebensmittelhersteller erhält eine GMP-Zertifizierung und stellt danach sämtliche internen Kontrollen ein. Ohne regelmässige Überprüfungen könnten Hygienemängel, fehlerhafte Prozesse oder Qualitätsprobleme unbemerkt bleiben – mit gravierenden Folgen für die Produktsicherheit. Das Gleiche gilt für andere Industrien: Ohne fortlaufende Überprüfung ist eine einmalige Zertifizierung wertlos.

Mythos 4: Dokumentation ist unwichtig und reine Formsache

Dokumentation ist einer der zentralen Pfeiler von GMP – weit mehr als nur bürokratische Pflicht. Sie ermöglicht die Rückverfolgbarkeit von Produktionsprozessen, hilft bei der Fehleranalyse und trägt wesentlich zur Qualitätssicherung bei. Zudem ist eine lückenlose Dokumentation essenziell für Inspektionen und Audits. Unternehmen müssen jederzeit nachweisen können, dass ihre Produktionsprozesse den GMP-Anforderungen entsprechen.

Ein Beispiel: Ein Arzneimittelhersteller produziert eine Charge Antibiotika, die Qualitätsmängel aufweist. Ohne detaillierte Dokumentation wäre es nahezu unmöglich, den Fehlerursprung nachzuvollziehen – sei es ein Problem mit den Rohstoffen, ein Maschinenfehler oder eine Abweichung im Herstellungsprozess.

Mythos 5: Schulungen sind überflüssig, wenn die Maschinen richtig funktionieren

Moderne Maschinen und automatisierte Systeme sind für viele GMP-Prozesse unverzichtbar. Doch ohne qualifizierte Mitarbeitende, die sie korrekt bedienen und überwachen, bleibt das Risiko von Fehlern bestehen. GMP schreibt daher vor, dass alle Beteiligten eine fundierte Schulung erhalten – unabhängig von der Branche oder dem Produkt.

Ein Beispiel: In einem Unternehmen, das Babynahrung herstellt, wird ein:e neue:r Mitarbeitende:r nicht ausreichend eingearbeitet. Bei der Arbeit wird versehentlich ein steriles Produkt mit blossen Händen berührt – eine kleine Nachlässigkeit mit potenziell gravierenden Folgen. Das zeigt, warum kontinuierliche Schulungen entscheidend sind.

Mythos 6: GMP ist ausschliesslich Aufgabe der Qualitätsabteilung

Die Qualitätsabteilung spielt eine zentrale Rolle bei der Implementierung und Überwachung von GMP-Richtlinien, doch die Verantwortung für deren Einhaltung liegt bei allen Mitarbeitenden – von der Produktion über die Wartung bis hin zur Unternehmensführung. Jede Person im Betrieb trägt dazu bei, dass die GMP-Standards konsequent umgesetzt werden.

Ein Beispiel: Ein:e Techniker:in repariert eine Produktionsmaschine und ignoriert dabei die Hygienevorschriften. Schmiermittelrückstände gelangen unbemerkt in das Endprodukt. Dieser Vorfall zeigt, dass GMP nicht nur eine Aufgabe der Qualitätssicherung ist, sondern in jeden einzelnen Arbeitsprozess integriert werden muss.

Mythos 7: GMP gilt nur für die Produktion

GMP betrifft nicht nur die Produktion, sondern den gesamten Lebenszyklus eines Produkts – von der Entwicklung über die Herstellung bis hin zur Lagerung und Auslieferung. Klare Richtlinien regeln den Umgang mit Rohstoffen, Verpackungsmaterialien, Lagerbedingungen und Transport, um sicherzustellen, dass die Qualität des Produkts in jeder Phase erhalten bleibt.

Ein Beispiel: Ein temperaturempfindliches Medikament wird während des Transports unsachgemäss gelagert, sodass die Kühlkette unterbrochen wird. Dadurch verliert es seine Wirksamkeit – obwohl es zuvor unter strengen GMP-Bedingungen hergestellt wurde. GMP endet also nicht mit der Produktion, sondern umfasst den gesamten Produktlebenszyklus.

Mythos 8: Kleine Unternehmen müssen sich nicht an GMP halten

Unabhängig von der Grösse des Unternehmens gelten die GMP-Vorschriften für alle, die in regulierten Branchen tätig sind. Auch kleine Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Produkte sicher und von hoher Qualität sind. Die Implementierung von GMP kann für kleinere Betriebe zwar herausfordernd sein, doch es gibt angepasste Lösungen und Ressourcen, um auch mit begrenzten Mitteln eine GMP-konforme Produktion zu gewährleisten.

Ein Beispiel: Ein handwerklicher Kosmetikbetrieb, der Naturseifen produziert, arbeitet möglicherweise nicht mit hochautomatisierten Produktionsanlagen. Dennoch gelten auch hier grundlegende GMP-Prinzipien: Inhaltsstoffe müssen rückverfolgbar sein, die Herstellung unter hygienischen Bedingungen erfolgen und die Verpackung darf keine Verunreinigungen zulassen. Besonders in regulierten Märkten, wie der EU-Kosmetikverordnung, ist dies entscheidend für den Marktzugang und das Vertrauen der Verbraucher:innen.

Fazit:

GMP ist weit mehr als ein regulatorisches Muss – es ist ein zentraler Bestandteil für die Qualitätssicherung und den langfristigen Unternehmenserfolg. Die häufigsten Missverständnisse entstehen oft aus Unwissenheit oder der Annahme, dass GMP nur für grosse Konzerne oder bestimmte Branchen gilt. In Wahrheit ist es ein dynamisches System, das sich ständig weiterentwickelt und in jedem Bereich eine Rolle spielt.

Eine konsequente Einhaltung von GMP hilft nicht nur dabei, gesetzliche Anforderungen zu erfüllen, sondern auch, Produktionsfehler zu minimieren, Kosten zu senken und das Vertrauen der Kundschaft zu stärken. Unternehmen, die GMP nicht als Pflicht, sondern als Qualitätsversprechen verstehen, profitieren langfristig von besseren Prozessen und nachhaltigem Markterfolg.

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