Der Mensch ist die grösste Kontaminationsquelle im
Reinraum da dieser für bis zu 80 % der Partikel- und Keimfreisetzungen
verantwortlich ist. Das liegt daran, dass unser Körper permanent
Hautschuppen, Haare und Mikroorganismen an die Umgebung abgibt. Schon im
Ruhezustand emittiert eine Person in normaler Kleidung etwa 800.000 Partikel
(>0,5 µm) pro Minute. Bei Bewegung steigt diese Zahl drastisch: Beim Gehen
können es bis zu 35 Millionen Partikel pro Minute sein.
Diese Zahlen verdeutlichen, warum das Personal
im Reinraum als die grösste Verunreinigungsquelle gilt. Doch nicht nur die
natürliche Partikelabgabe ist ein Problem. Falsches Verhalten, ungeeignete
Kleidung oder mangelnde Hygiene tragen erheblich zur Kontaminationsgefahr bei.
Welche Arten von menschlicher Kontamination gibt es?
Menschliche Kontamination im Reinraum lässt sich inzwei
Hauptkategorien unterteilen: partikuläre (unbelebte) und mikrobiologische
(belebte) Verunreinigungen.
Partikuläre Kontamination entsteht durch nicht
lebende Partikel, die vom Körper abgegeben werden – darunter Hautschüppchen,
Haare, Textilfasern oder Staubpartikel von der Kleidung.
Mikrobiologische Kontamination umfasst lebende
Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Viren, die über die Haut, die Atemwege
oder durch Berührung in die Umgebung gelangen.
Besonders kritisch ist, dass viele partikuläre
Verunreinigungen gleichzeitig Träger von Mikroorganismen sind. Hautschüppchen
bieten Bakterien ideale Bedingungen, sodass mit jeder abgegebenen Partikel auch
Keime in den Reinraum gelangen können. Zudem setzt das Atmen und Sprechen Keime
in Form von Aerosolen frei – ein einziger Huster kann Tausende Tröpfchen in die
Luft abgeben.
Warum ist die richtige Reinraumkleidung so entscheidend?
Weil
spezielle Kleidung wie ein Filter zwischen Mensch und Reinraum wirkt. Ohne
geeignete Schutzkleidung würde unser Körper eine wahre Partikelflut
verursachen: Kleidung aus Baumwolle, offene Haare und unbedeckte Haut setzen
bei jeder Bewegung Millionen Partikel frei. Schon das Tragen eines einfachen
Kittels und einer Haube kann einen Grossteil dieser Partikel zurückhalten.
Vollständige Reinraumanzüge sind jedoch der Goldstandard: Ein spezieller
Overall mit integrierter Kopfhaube reduziert die Partikelemission im Stillstand
auf etwa 10.000 Partikel pro Minute – gegenüber Millionen ohne Schutz. Die richtige Kleidung schützt also das Produkt vor uns Menschen und
umgekehrt auch das Personal vor Produktstoffen. Wichtig ist, dass
Reinraumkleidung immer aus partikeldichten, abriebarmen Materialien besteht und
nur für den Reinraum reserviert ist (keine Verwendung
ausserhalb).
Welche Kleidung ist im Reinraum vorgeschrieben?
Dies
hängt von der Reinheitsklasse ab. Die Norm ISO 14644-1 definiert
Reinraumklassen (ISO 1–9) nach Partikelgrenzwerten, und in der
Pharmaindustrie gibt der EU-GMP-Leitfaden (Annex 1) Grade A–D mit
entsprechenden Kleiderordnungen vor. Generell gilt: Je höher die
Reinheitsanforderung, desto umfassender muss die Person eingekleidet sein.
Gibt es eine Reihenfolge beim Anziehen der Reinraumbekleidung?
Ja, entscheidend ist nicht nur, was man trägt, sondern wie es angezogen wird. Die Reihenfolge ist genau festgelegt, um eine Kontamination zu vermeiden – insbesondere durch Partikel, die von unten nach oben aufsteigen könnten. In der Schleuse erfolgt das Ankleiden deshalb in folgenden Schritten:
Unterkleidung und Socken – Falls verlangt: Reinraumtaugliche Unterwäsche und Socken.
Haube und Bartschutz – Zuerst wird ein Haarnetz oder eine Kopfhaube aufgesetzt, um alle Haare vollständig zu bedecken. Personen mit Bart müssen zusätzlich einen Bartschutz anlegen.
Schutzbrille (falls erforderlich) – Falls vorgeschrieben, wird nun eine Schutzbrille aufgesetzt.
Mundschutz – Danach folgt der Mundschutz, um die Verbreitung von Atemtröpfchen zu verhindern.
Overall oder Anzug – Der Overall oder Anzug wird vorsichtig angezogen, ohne mit dem Boden oder unsterilen Flächen in Berührung zu kommen.
Handschuhe (erste Schicht bei Double-Gloving) – Falls doppelte Handschuhe erforderlich sind, wird nun die erste Schicht Handschuhe übergezogen.
Überziehschuhe oder Reinraumstiefel – Reinraumtaugliche Stiefel oder Überziehschuhe werden angelegt und sicher verschlossen.
Handschuhe (zweite Schicht bei Double-Gloving) – Abschliessend wird die erste oder zweite Schicht Handschuhe über die Ärmelenden des Overalls gezogen, um eine sichere Abdichtung zu gewährleisten.
Beim Auskleiden gilt umgekehrte Reihenfolge und
grösstmögliche Vorsicht: Kontaminierte Aussenseiten der Kleidung dürfen nicht
die eigene Haut oder saubere Flächen berühren. Beispielsweise zieht man die
Handschuhe als erstes aus, damit man anschliessend mit blossen (desinfizierten)
Händen die Haube und Brille abnehmen kann, ohne diese zu verunreinigen.
Risikobasierte Bewertung und kontrollierter Materialfluss
Auch mit optimaler Kleidung bleibt ein Restrisiko – daher
ist ein ganzheitliches Kontaminationskontroll-Konzept nötig. Moderne
Reinraumstrategien setzen auf risikobasierte Bewertungen gemäss ISO 14644 und
anderen Standards, um alle möglichen Einschleppquellen systematisch zu
minimieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei interne Audits und Monitoring!
Durch die risikobasierte Denkweise wird sichergestellt, dass
nicht nur Partikel in der Luft beobachtet werden, sondern z.B. auch
Oberflächen, Personenfluss, Reinigungsprozesse, Wartung etc. in Summe ein
konsistentes Kontrollkonzept ergeben. Für Reinraumbetreiber in der Praxis
bedeutet dies meist: Erstellung eines CCS-Dokuments, Schulung aller Abteilungen
und Nachverfolgung, ob die getroffenen Massnahmen auch wirksam sind.
Ein oft unterschätzter Aspekt ist der Material-
und Werkzeugfluss. Während man beim Personal schon recht sensibilisiert ist,
wurden in der Vergangenheit durch Materialien immer wieder Verunreinigungen
eingeschleppt. Daher gilt: Materialien und Geräte müssen reinraumgerecht
vorbereitet und geschleust werden. Schon bei der Beschaffung sollte man auf
geeignetes Reinraummaterial achten!
Strenge Hygiene- und Verhaltensrichtlinien
Technik
und Kleidung können noch so gut sein – letztlich liegt es am Verhalten jedes
Einzelnen, die Reinraumhygiene aufrechtzuerhalten. Klare Verhaltensregeln und
Schulungen sind daher das A und O. Alle Personen, die in den Reinraum gehen,
müssen strenge Hygieneregeln einhalten und
sich der Bedeutung ihres Beitrags bewusst sein.
Regelmässige Schulungen und Unterweisungen halten das Wissen
frisch und sensibilisieren für die Konsequenzen von Fehlverhalten. Oft hilft es, Hintergründe
zu erklären – wenn Mitarbeitende verstehen, warum eine Regel existiert, steigt
die Bereitschaft, sie konsequent zu befolgen. Eine Kultur der Aufmerksamkeit sollte
gefördert werden, in der auch Kollegen sich gegenseitig an korrektes Verhalten
erinnern dürfen.