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Warum ist der Mensch die grösste Kontaminationsquelle in Reinräumen?

Warum ist der Mensch die grösste Kontaminationsquelle in Reinräumen?

25.02.2025

Der Mensch ist die grösste Kontaminationsquelle im Reinraum da dieser für bis zu 80 % der Partikel- und Keimfreisetzungen verantwortlich ist. Das liegt daran, dass unser Körper permanent Hautschuppen, Haare und Mikroorganismen an die Umgebung abgibt. Schon im Ruhezustand emittiert eine Person in normaler Kleidung etwa 800.000 Partikel (>0,5 µm) pro Minute. Bei Bewegung steigt diese Zahl drastisch: Beim Gehen können es bis zu 35 Millionen Partikel pro Minute sein.

Diese Zahlen verdeutlichen, warum das Personal im Reinraum als die grösste Verunreinigungsquelle gilt. Doch nicht nur die natürliche Partikelabgabe ist ein Problem. Falsches Verhalten, ungeeignete Kleidung oder mangelnde Hygiene tragen erheblich zur Kontaminationsgefahr bei.

Welche Arten von menschlicher Kontamination gibt es?

Menschliche Kontamination im Reinraum lässt sich in zwei Hauptkategorien unterteilen: partikuläre (unbelebte) und mikrobiologische (belebte) Verunreinigungen.

Partikuläre Kontamination entsteht durch nicht lebende Partikel, die vom Körper abgegeben werden – darunter Hautschüppchen, Haare, Textilfasern oder Staubpartikel von der Kleidung.

Mikrobiologische Kontamination umfasst lebende Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Viren, die über die Haut, die Atemwege oder durch Berührung in die Umgebung gelangen.

Besonders kritisch ist, dass viele partikuläre Verunreinigungen gleichzeitig Träger von Mikroorganismen sind. Hautschüppchen bieten Bakterien ideale Bedingungen, sodass mit jeder abgegebenen Partikel auch Keime in den Reinraum gelangen können. Zudem setzt das Atmen und Sprechen Keime in Form von Aerosolen frei – ein einziger Huster kann Tausende Tröpfchen in die Luft abgeben.

Warum ist die richtige Reinraumkleidung so entscheidend?

Weil spezielle Kleidung wie ein Filter zwischen Mensch und Reinraum wirkt. Ohne geeignete Schutzkleidung würde unser Körper eine wahre Partikelflut verursachen: Kleidung aus Baumwolle, offene Haare und unbedeckte Haut setzen bei jeder Bewegung Millionen Partikel frei. Schon das Tragen eines einfachen Kittels und einer Haube kann einen Grossteil dieser Partikel zurückhalten. Vollständige Reinraumanzüge sind jedoch der Goldstandard: Ein spezieller Overall mit integrierter Kopfhaube reduziert die Partikelemission im Stillstand auf etwa 10.000 Partikel pro Minute – gegenüber Millionen ohne Schutz. Die richtige Kleidung schützt also das Produkt vor uns Menschen und umgekehrt auch das Personal vor Produktstoffen. Wichtig ist, dass Reinraumkleidung immer aus partikeldichten, abriebarmen Materialien besteht und nur für den Reinraum reserviert ist (keine Verwendung ausserhalb).

Welche Kleidung ist im Reinraum vorgeschrieben?

Dies hängt von der Reinheitsklasse ab. Die Norm ISO 14644-1 definiert Reinraumklassen (ISO 1–9) nach Partikelgrenzwerten, und in der Pharmaindustrie gibt der EU-GMP-Leitfaden (Annex 1) Grade A–D mit entsprechenden Kleiderordnungen vor. Generell gilt: Je höher die Reinheitsanforderung, desto umfassender muss die Person eingekleidet sein.

Gibt es eine Reihenfolge beim Anziehen der Reinraumbekleidung?

Ja, entscheidend ist nicht nur, was man trägt, sondern wie es angezogen wird. Die Reihenfolge ist genau festgelegt, um eine Kontamination zu vermeiden – insbesondere durch Partikel, die von unten nach oben aufsteigen könnten. In der Schleuse erfolgt das Ankleiden deshalb in folgenden Schritten:

  1. Unterkleidung und Socken – Falls verlangt: Reinraumtaugliche Unterwäsche und Socken.
  2. Haube und Bartschutz – Zuerst wird ein Haarnetz oder eine Kopfhaube aufgesetzt, um alle Haare vollständig zu bedecken. Personen mit Bart müssen zusätzlich einen Bartschutz anlegen.
  3. Schutzbrille (falls erforderlich) – Falls vorgeschrieben, wird nun eine Schutzbrille aufgesetzt.
  4. Mundschutz – Danach folgt der Mundschutz, um die Verbreitung von Atemtröpfchen zu verhindern.
  5. Overall oder Anzug – Der Overall oder Anzug wird vorsichtig angezogen, ohne mit dem Boden oder unsterilen Flächen in Berührung zu kommen. 
  6. Handschuhe (erste Schicht bei Double-Gloving) – Falls doppelte Handschuhe erforderlich sind, wird nun die erste Schicht Handschuhe übergezogen.
  7. Überziehschuhe oder Reinraumstiefel – Reinraumtaugliche Stiefel oder Überziehschuhe werden angelegt und sicher verschlossen.
  8. Handschuhe (zweite Schicht bei Double-Gloving) – Abschliessend wird die erste oder zweite Schicht Handschuhe über die Ärmelenden des Overalls gezogen, um eine sichere Abdichtung zu gewährleisten.

Beim Auskleiden gilt umgekehrte Reihenfolge und grösstmögliche Vorsicht: Kontaminierte Aussenseiten der Kleidung dürfen nicht die eigene Haut oder saubere Flächen berühren. Beispielsweise zieht man die Handschuhe als erstes aus, damit man anschliessend mit blossen (desinfizierten) Händen die Haube und Brille abnehmen kann, ohne diese zu verunreinigen. 


Risikobasierte Bewertung und kontrollierter Materialfluss

Auch mit optimaler Kleidung bleibt ein Restrisiko – daher ist ein ganzheitliches Kontaminationskontroll-Konzept nötig. Moderne Reinraumstrategien setzen auf risikobasierte Bewertungen gemäss ISO 14644 und anderen Standards, um alle möglichen Einschleppquellen systematisch zu minimieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei interne Audits und Monitoring!

Durch die risikobasierte Denkweise wird sichergestellt, dass nicht nur Partikel in der Luft beobachtet werden, sondern z.B. auch Oberflächen, Personenfluss, Reinigungsprozesse, Wartung etc. in Summe ein konsistentes Kontrollkonzept ergeben. Für Reinraumbetreiber in der Praxis bedeutet dies meist: Erstellung eines CCS-Dokuments, Schulung aller Abteilungen und Nachverfolgung, ob die getroffenen Massnahmen auch wirksam sind.

Ein oft unterschätzter Aspekt ist der Material- und Werkzeugfluss. Während man beim Personal schon recht sensibilisiert ist, wurden in der Vergangenheit durch Materialien immer wieder Verunreinigungen eingeschleppt. Daher gilt: Materialien und Geräte müssen reinraumgerecht vorbereitet und geschleust werden. Schon bei der Beschaffung sollte man auf geeignetes Reinraummaterial achten!


Strenge Hygiene- und Verhaltensrichtlinien

Technik und Kleidung können noch so gut sein – letztlich liegt es am Verhalten jedes Einzelnen, die Reinraumhygiene aufrechtzuerhalten. Klare Verhaltensregeln und Schulungen sind daher das A und O. Alle Personen, die in den Reinraum gehen, müssen strenge Hygieneregeln einhalten und sich der Bedeutung ihres Beitrags bewusst sein.

Regelmässige Schulungen und Unterweisungen halten das Wissen frisch und sensibilisieren für die Konsequenzen von Fehlverhalten. Oft hilft es, Hintergründe zu erklären – wenn Mitarbeitende verstehen, warum eine Regel existiert, steigt die Bereitschaft, sie konsequent zu befolgen​. Eine Kultur der Aufmerksamkeit sollte gefördert werden, in der auch Kollegen sich gegenseitig an korrektes Verhalten erinnern dürfen.

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